Nr. 07/2003

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Das Ende der Quersubventionen

Kirch-K.O., Werbekrise, neue Wettbewerber. Die jüngsten Entwicklungen haben den TV-Sportrechtemarkt grundlegend verändert. Einer der Gewinner: die ARD. Eine Bestandsaufnahme von Vera-Carina Elter

 

Die Struktur des Free-TV-Marktes beruhte bis zum Zusammenbruch der Kirch-Gruppe im Wesentlichen auf einem stabilen Duopol. Das durch die beiden großen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und die privaten Senderfamilien um RTL und ProSiebenSat.1 geprägt war. Durch den Einstieg des amerikanischen Medienunternehmers Haim Saban bei der Pro-Sieben-Sat 1 Media AG werden mittel- bis langfristig jedoch neue Strategien zwangsläufig zu Veränderungen der Rivalität und des Wettbewerbs untereinander führen.

 

Kurzer Schwenk zurück: Die Preise von medialen Sportrechten waren in der Vergangenheit drastisch gestiegen. Dies war im Wesentlichen durch das Aufkommen des Privatfernsehens bedingt, das exklusive Fernsehrechte zur Erhöhung der Reichweite im Free-TV und zur Durchsetzung der Pay-TV- Technologie verwendete. Darüber hinaus wurde durch eine Mehrfach- und Parallelverwertung über verschiedene Systeme (Free-, Pay-TV) die Berichterstattung erheblich ausgeweitet. Auf Grund der hohen Preise und der Tatsache, dass die Premiumrechte in der Regel nur als Gesamtpaket für mehrere Jahre vergeben werden, brachte der Erwerb einen hohen Kapitalbedarf mit sich, so dass nur die wenigen Fernsehsender mit dem entsprechenden Potenzial als Nachfrager auftraten.

 

Um die aktuelle Verwertungssituation zu analysieren, muss man die Szene getrennt nach Wettbewerben und im Kontext mit anderen Premiumrechten betrachten. Da die reichweitenstarken Free-TV- Sender die Übertragung eines attraktiven Sportwettbewerbs als unabdingbar ansehen, gehen sie oftmals mit ihren Angeboten an ihre maximale Zahlungsbereitschaft heran, bis sie den Zuschlag für einen Wettbewerb bekommen haben. Sobald ein Sender jedoch die Übertragungsrechte eines Wettbewerbs erworben hat, sinkt in der Regel die Zahlungsbereitschaft für weitere Rechte signifikant ab, da diese nur noch einen kleinen zusätzlichen Beitrag zur Imagepflege leisten würden.

 

Sowohl dieses Verhalten als auch die notwendige Grundvoraussetzung einer hohen technischen Reichweite sind Gründe dafür, dass der Markt für die Verwertung medialer Premiumrechte im Sport, trotz der großen Fernsehvielfalt in Deutschland, überschaubar ist.

 

Mit Saban kommt Bewegung in die Landschaft: Medienberichten zur Folge will der Investor Pro-Sieben-Sat 1 mit neuen Programmideen zum Marktführer im deutschen Free-TV-Markt machen. Wichtiger Baustein der Strategie für SAT 1 sollen Sportübertragungen sein. Derzeit besteht das Rechteportfolio jedoch ausschließlich aus den Rechten zur Erstverwertung für die Fußball-Bundesliga im frei empfangbaren Fernsehen. Sie laufen zum Ende der aktuellen Saison aus (siehe Grafik).

Die RTL- Gruppe dagegen ist im Sportrechtebereich (unter anderem Formel 1 bis 2007, Skisport außer Biathlon) sehr gut positioniert, wobei der Sender für die Verwertung die Vorteile eines integrierten Medienkonzerns (zum Beispiel Sportproduktion, --Sportrechtevermarktung, Fernseh- und Internetverwertung) nutzt.

Das aktuelle Portfolio sowie die finanzielle Ausgangssituation für den Erwerb von Fernsehrechten der öffentlich-rechtlichen Sender ist sehr differenziert. Dem ZDF stehen weit weniger Finanzmittel zur Verfügung als der ARD. Dies zeigt sich auch darin, dass die öffentlich-rechtlichen Sender zunehmend einzeln Rechte erwerben, nachdem sie bisher beim Kauf stets gemeinsam aufgetreten waren. So besitzt das Duo einen Vertrag mit dem Deutschen Fußball-Bund bis 2009 (unter anderem über Heimspiele der Fußball-Nationalmannschaft und den DFB-Pokal).

Im Zusammenhang mit medialen Rechten stellt sich für ausschließlich werbefinanzierte Sender stets die Frage der Refinanzierbarkeit, denn die aktuellen Marktbedingungen für den Kauf derartiger Rechte sind durch den anhaltenden Rückgang der TV-Werbeeinnahmen zusammen mit steigenden Produktionskosten schwierig. Premiumsport muss jedoch nicht „direkt refinanzierbar“ sein, sondern dient im Wesentlichen dem Imagegewinn bzw. der Erhöhung des Marktanteils. Daher stellten diese Rechte schon immer strategische Investments dar, die auch vor dem Konjunktureinbruch nicht unmittelbar durch Werbeeinnahmen amortisiert werden konnten. In Zeiten einer anhaltenden Buchungskrise bei den Sendern werden die in den Lizenzpreisen enthaltenen „strategischen Prämien“ von den Fernsehanstalten allerdings zunehmend auf ihre Höhe hin überprüft, da die Quersubventionierung dieser Prämien durch andere Formate in der derzeitigen Marktsituation schwieriger wird. Dies führt zu einer Neukalkulation der strategischen Prämien.

Beispiel hierfür ist die ehemals integrierte Senderfamilie Pro-Sieben-Sat 1. Durch das Herauslösen einer der größten Sportrechteagenturen (Kirch Sport heute Infront Sports & Media) und des Pay-TV-Senders Premiere aus dem Medienverbund der Kirch-Gruppe und damit der Entkopplung von der Pro-Sieben-Sat 1 Media ist eine breite Risikoverteilung im Konzern nicht mehr möglich. Insgesamt wandelt sich der TV-Markt zu einem Käufermarkt, auf dem sich die Nachfrageseite erheblich gestärkt sieht und Einkaufspreise neu kalkuliert werden. Wurden die Premium-Sportrechte in der Vergangenheit (mit Ausnahme der Länderspiele) im Wesentlichen im privat-werbefinanzierten Fernsehen ausgestrahlt, ändern sich die finanziellen Voraussetzungen für den Erwerb von Sportrechten seit der anhaltenden Werbekrise wieder zu Gunsten der öffentlich-rechtlichen Kanäle.

Darüber hinaus wird der Trend der Medienkonvergenz - das Zusammenwachsen und die Verschmelzung der bislang getrennten Kommunikations- und Medienformen - die Sportrechteverwertung weiter beeinflussen (zum Beispiel Bewegtbilder im Internet). Zusammen mit weiteren Entwicklungen auf dem Sportrechtemarkt und der zunehmenden Nachfragemacht wird sich daher der Druck auf die Rechteinhaber nochmals erhöhen. Folge: eine Veränderung der Branchenstruktur.

Die weitere Preisentwicklung der Fernsehrechte ist im Wesentlichen abhängig von der Marktlage zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Die öffentlich-rechtlichen Sender betrachten auf Grund ihres Programmauftrages die Rechte an der Fußball-WM 2006 derzeit als Priorität, so dass ihre Bereitschaft zum Erwerb weiterer Rechte gering ist.

Die RTL-Gruppe hat sich in der Vergangenheit auf Formel 1, Skisport und Champions League konzentriert. Durch die Vertragsverlängerung der Formel-1-Rechte (für 2004 bis 2007) zu höheren Konditionen reduzieren sich für RTL die Möglichkeiten der Quersubventionierung und der Zahlungsspielraum für die Verlängerung von anderen Rechten (zum Beispiel für die Champions League). SAT 1 beschränkte sich im Sport bisher weitgehend auf die Fußball-Bundesliga und zahlte für diese Rechte erhebliche strategische Prämien. Durch das Auseinanderfallen des früheren Mutterkonzerns ist nun eine Risikodiversifizierung nur noch innerhalb der Senderfamilie möglich.

Langfristig werden die Premiumrechte im Sport immer einen hohen (Basis-)Preis erfordern, da die massenattraktiven Events für die Fernsehsender ein wesentlicher Imageträger und demnach nicht substituierbar sind. In der beschriebenen Marktlage ist jedoch der anstehende Verkauf der beiden Premiumpakete Champions League und Bundesliga auf dem deutschen Free-TV-Markt extrem schwierig. Die bisher abgegebenen Angebote sind für die Rechteinhaber Team und Uefa bzw. Infront und -vermarkter eher enttäuschend und scheinen einen weiteren Preisabschlag zur Folge zu haben. Daran wird auch der Einstieg von Haim Saban mit seinem Ziel der Neupositionierung von SAT 1 voraussichtlich nichts Wesentliches ändern. Für die Rechteinhaber führt die Unsicherheit auf der Einnahmeseite dazu, dass die Kostenflexibilisierung das vorrangige Ziel sein muss.

 

aus: Horizont Sport Business, 2/2003

 

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